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Dr. jur. Arnold von Bosse:
Stadtsanierung

Eigentumsorientierte Genossenschaft in mittelalterlichen Giebelhäusern

Abb. 1: Hofansicht vor der Sanierung, Foto A. v. Bosse
Abb. 2: Hof nach der Sanierung, Foto U. Markfort

Von Arnold v. Bosse (Projektleiter)

Veröffentlichung im Europäischen Sanierungskalender 2006, Hrsg.: H. Venzmer, Huss-Medien GmbH Versandbuchhandlung

Am Rande der Altstadt Stralsunds hat sich eine Gruppe von Menschen den Traum erfüllt, in alten Giebelhäusern im Wohneigentum zu leben. Die Mitglieder der Wohnungsbaugenossenschaft Frankenstraße eG haben sich für die Sanierung der längsten gotischen Giebelhauszeile in Stralsund eingesetzt. In der aus 7 Häusern bestehenden Zeile, die seit 1979 teilweise leer stand, wurden durch ihren Einsatz 3 einsturzgefährdete, denkmalgeschützte Häuser saniert. Das Problem bestand dabei u.a. darin, dass aufgrund der sehr tiefen (und somit dunklen) Giebelhäuser gute Wohnungsgrundrisse nur sehr schwierig zu planen waren. Einzel-Investoren, die ein gesamtes Giebelhaus allein sanieren wollten, konnten zuvor trotz intensiver Suche nicht gefunden werden.

Genossenschaft für die Bündelung von Einzelkapital
Neue Investitionsformen waren zu erkunden. Der Weg über eine eigentumsorientierte Wohnungsgenossenschaft schien besonders gut geeignet, ausreichendes Kapital zur Sanierung zu sammeln. Durch die im Juni 1997 gegründete Genossenschaft konnte eine Bündelung des Bauherreneigenkapitals von 28 späteren Wohneigentümern erreicht werden. Die Motivation der ersten 12 Kern-Mitglieder bestand in dem Wunsch, in sanierten Denkmalen zu wohnen und dabei das Wohneigentum zu erschwinglichen Preisen zu erstehen. Da die Frankenstraße damals noch sehr herunter gekommen war, lagen die Verkehrswerte dort unter dem Durchschnitt der Altstadt; die ersten Erwerber der Wohnungsoptionen erhielten faktisch einen sog. Pionierabschlag, um das Projekt im Rahmen seiner Leuchtturmfunktion voranbringen zu können.

Genossenschaft als Konfliktlösungsmodell
Das Genossenschaftsmodell eignete sich dabei zur Lösung von Konfliktsituationen während der Planungs- und Bauphase: Es ist durch sein Mehrheitsprinzip (statt des Einstimmigkeitsprinzipes) gemeinschaftsorientiert; zudem ist die Haftung einzelner Genossenschaftsmitglieder ausgeschlossen worden. Die Genossenschaft wurde nach der Erarbeitung eines Finanzkonzeptes (zusammen mit dem örtlichen Sanierungsträger und einer Genossenschaftsbank) von dem „Prüfungsverband klein- und mittelständischer Genossenschaften" (Berlin) geprüft und 1999 zur Register-Eintragung gebracht.
Bis zur Fertigstellung der Sanierung im Juni 2002 waren einige Hürden zu nehmen. Hierzu gehörte z.B. die grundbuchrechtliche Zusammenführung der drei Grundstücke und das Einwerben von Sanierungsfördermitteln: Hierfür mussten 20 Stationen mit mehr als 100 Entscheidungsträgern in Kommune und Land abgearbeitet werden.

Mutige Genossenschaftsmitglieder
Die Sanierungskosten für die drei maroden Häuser beliefen sich auf rund 4,5 Mio. €. Ca. 50 % der Bewohner hatten bereits 1999 vor Baubeginn und zunächst ohne einen Notar-Vertrag erste Genossenschaftsanteile von 500,- DM pro qm Wohnfläche in die Genossenschaftskasse eingezahlt und damit das erforderliche Anfangs-Eigenkapital (260.000,-Euro) für den Baubeginn zur Verfügung gestellt. Hiermit haben sie Mut und Pioniergeist gezeigt. Die Förderquote (Deutsche Stiftung Denkmalschutz und Städtebaumittel) betrug wegen der problematischen Bausubstanz ca. 50 %. Die Eigentümer setzen sich heute aus ca. 50 % Selbstnutzern und 50 % solcher Eigentümer, die vermieten, zusammen. Die Bewohnerstruktur der 28 Eigentumswohnungen umfasst Familien, Alleinstehende und Rentner. Das Projekt wird aus drei Gründen als besonderer Erfolg gesehen:

  1. Die Finanzierung der Sanierung wurde durch die genossenschaftliche Bündelung von einzelnem Kleinkapital zusammen mit den Fördermitteln erreicht.
  2. Zudem ist denkmalpflegerisch behutsam vorgegangen worden. Auch dank des Architekten (J. Geiling) und Bauleiters (S. Kleinert) blieben die Spuren von 6 Jahrhunderten Baugeschichte dieser früheren Handelshäuser sichtbar.
  3. Insbesondere der gelungene Hof mit zwei bewohnten Kemläden und einem dritten in (Erinnerungs-)Resten in der Mitte stehen gebliebenen Kemladen dokumentiert den Gemeinschaftscharakter und die Bauentwicklung.

Das als „Genossenschaftsmodell Stralsund" bekannt gewordene Projekt erhielt zwei Bauherrenpreise. Zwar mündete die Bauträgergenossenschaft nach Abschluss der Bauphase in eine Wohneigentümergemeinschaft, dennoch erfüllte der Genossenschaftsgedanken während der wichtigen und psychologisch sensiblen Planungs- und Bauphase seine Funktion. Mehr Infos und Kontakt zum Projekt über das Internet: www.frankenstrasse.de

Copyright © 2006 Dr. jur. Arnold v. Bosse, Heilgeistkloster 15, 18439 Stralsund
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