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Dr. jur. Arnold von Bosse:
Sachenrechtsbereinigung

Ungereimtheiten im Hinblick auf die Rechtsnachfolge im Sachenrechtsbereinigungsgesetz

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Assessor Arnold v. Bosse, Stralsund

I. Einleitung
Über das rechtsdogmatisch und rechtshistorisch bemerkenswerte Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG) gibt es mittlerweile eine Fülle von Veröffentlichungen ‚ die die Rechtsnachfolge jedoch nur peripher behandeln. Die Rechtsnachfolge- Problematik ist aber von erheblichem ökonomischen Interesse, weil auch der Rechtsnachfolger eines Gebäudeeigentümers/Nutzers das zum Gebäude gehörende Grundstück zum halben Bodenwert erwerben darf: Der Rechtsnachfolger macht seinen Anspruch nach dem SachenRBerG gegenüber dem Grundstückseigentümer geltend — losgelöst vom ursprünglichen Nutzer, dem das Gesetz eigentlich in seiner Intention und Essenz gilt. Daß auch der Rechtsnachfolger in den Genuß des Privilegs, das Grundstück zum halben Preis erwerben zu dürfen, kommen soll, ergibt sich aus § 9 1 a. E. SachenRBerG. Verständlich ist diese Regelung noch für die Situation, daß Rechtsnachfolger ein DDR-Bürger gewesen ist, der beispielsweise 1980 ein Gebäude vom ersten Nutzer erwarb und weiternutzte. Weniger nachvollziehbar ist es aber, wenn z. B. 1991 der Schweriner Eigenheimbesitzer sein bereits 15 Jahre genutztes Gebäudeeigentum an einen Lübecker Käufer veräußerre und nunmehr dieser Käufer das Grundstück zum halben Preis erwerben kann, ohne Inhaber einer in der DDR gewachsenen Nutzerposition zu sein. So will es jedoch das Gesetz; denn ein Blick auf § 9 I a. E. zeigt, daß die Formulierung „oder deren Rechtsnachfolger" keineswegs eingeschränkt ist. Dies liegt formaljuristisch daran, daß Gebäudeeigentum auch im bundesrepublikanischen Rechtssystem seine — freilich auf den puren Eigentumsbegriff reduzierte — Berechtigung hat: Angesichts der ebenfalls für Gebäudeeigentum geltenden Eigenturnsgarantie des Art. 14 GG ist es nämlich folgerichtig, dem Gebäudeeigentümer die volle Verfügungsbefugnis zu überlassen.

Das Gleiche gilt für die Verfügung über das vermögenswerte Recht des sachenrechtsbereinigungsrechrlichen Anspruches aufgrund anderer Nutzerpositionen, z. B. „gebaut mit Billigung staatlicher Stellen" )8 9 1 Nr. 5, Abtretung nach § 14 II SachenRBerG).

II. Unbilliges Ergebnis
So ist es zwar rechtlich nicht zu beanstanden, den Rechtsnachfolger mit dem Nutzer grundsätzlich gleichzubehandeln2, das Ergebnis ist jedoch nicht befriedigend und wird z. B. in den kommunalen Entscheidungsgremien oft nicht verstanden: Denn daß ein „Irnmobilienhai" als Ankäufer des Gebäudeeigentums )oder des sonstigen SachenRBerG-Anspruches) das Grundstück von der Kommune oder einem anderen Grundstückseigentümer zum halben Preis erwerben darf, erscheint unbillig. Auch die Fälle der sog. Kertenrechtsnachfolge provozieren Unverständnis: Nachdem das Gebäudeeigentum beispielsweise in der DDR zweimal und 1992 noch einmal veräußert wurde, ist der ursprüngliche Nutzer, der eigentlich bezüglich des halben Preises privilegiert werden sollte, in allzu abstrakt weite Ferne gerückt.

III. Nachzahlungsklausel ist unzureichend
Der Gesetzgeber hat lediglich bei denjenigen Verkäufer-Rechtsnachfolgesituationen, die in der Zukunft liegen, versucht, dem Grundstückseigentümer den vollen Bodenwert zukommen zu lassen: Verkauft der Grundstückserwerber binnen sechs Jahren erneut, so muß er die erst gesparte und beim Verkauf zusätzlich erlangte zweite Hälfte des Bodenwertes )bzw. 1/4) an den Grundstückseigentümer auskehren(= Nachzahlungsklausel3, vgl. § 71 SachenRBerG). Diese Nachzahlungsverpflichtung schafft aber nur unzureichende Abhilfe: Denn wenn ein Gebäudeeigentümer/ Nutzer bereits mit einem potentiellen Käufer seines Gebäudeeigentums )oder sonstigen SachenRBerG-Anspruches) verhandelt und daher wenig Neigung auf die Mehrerlösklausel hat )weil er nach Abschluß des Kaufvertrages den zusätzlich aus dem Verkauf erlangten halben Wert an den Grundstücksverkäufer abführen müßte), so verkauft dieser Gebäudeeigentümer/Nutzer das Gebäude )oder den Anspruch) lieber gleich an diesen Dritten/potentiellen Käufer Denn jetzt kann er einen Aufschlag vom Käufer ein- fordern, weil dieser ja neben dem Gebäude auch den SachenRBerG-Anspruch auf Kauf des Grundstückes zum halben Preis erwirbt. Diesem Dritten nun die Mehrerlösklausel gern. § 71 SachenRBerG aufzuerlegen, nützt dem Grundstückseigentümer(= Verkäufer) in der Regel nichts mehr, da der Erwerber nunmehr nach aller Erfahrung für mehr als sechs Jahre im Besitz der Immobilie bleibt (und somit § 71 SachenRBerG nicht greift). In diesen Fällen bleibt dem Grundstückseigentümer nur noch die Möglichkeit, doch noch mit dem ursprünglichen Nutzer (= potentiellen Verkäufer des Gebäudes bzw. des SachenRBerG-Anspruches) handelseinig zu werden: Man bietet ihm an, z.B. 75% statt 50% des Bodenwertes zu bezahlen, dann jedoch ohne Mehrerlösklausel.

IV. Fazit
Angesichts dieser vom Gesetz eigentlich nicht gewollten Ergebnisse drängt sich die Vermutung auf, daß der Gesetzgeber es schlichtweg „vergessen" hat, in § 9 1 an die Formulierung oder deren Rechtsnachfolger" den Zusatz anzufügen‚ außer der rechtsgeschäftlichen Rechtsnachfolge". Andererseits spricht auch einiges für die bewußte Inkaufnahme der oben aufgezeigten Unbilligkeiten: Oft sind die mit dem SachenRBerG-Anspruch zusammenhängenden Gebäude in schlechtem Zustand und eine Sanierung läßt sich nur finanzieren, wenn Grund und Boden zum halben Wert angekauft werden können. Dies könnte bei Weiterreichung des Vorteils durch den Käufer den Mietern zugute kommen oder einen Investitionsschub für Gewerbebetriebe bedeuten. Außerdem muß sich der Dritte um die Komplettierung von Gebäude und Grundstück kümmern, was bei Einschaltung des notariellen Vermittlungsverfahrens arbeitsaufwendig und mit oft erheblichem Zeitverlust verbunden ist (und wiederum die Beleihbarkeit des Öbjektes verzögert). Dennoch überwiegen wegen der erheblichen ökonomischen Nachteile des Grundstückseigentümers die Vorbehalte in Bezug auf die undifferenzierte Rechtsnachfolgeregelung, so daß entweder die Einschränkung auf die gesetzliche Rechtsnachfolge im Wege einer Gesetzesnovellierung überlegt werden sollte, oder aber die Gründe für die Beibehaltung der jetzigen Regelung sollten seitens des Bundesministeriums der Justiz in einem Ausführungserlaß verdeutlicht werden.

Anmerkungen:

  1. Zusammenfassende Darstellungen sind etwa: Schmidt-Räntsch, DeZ 1994, 322 und Wesel, DtZ 1995, 70.
  2. Das Rechtsverhältnis zum Rechtsnachfolger differenzierende Vorschriften wie z. B. § 29 III und § 47 II SachenRßerG ändern nichts an der prinzipiellen Gleichbehandlung.
  3. Diese Verpflichtung soll nicht für Wohnnutzung in Eigenheimen gelten )I 711 Nr.3; Ausnahme hiervon: Nr. 1). Im übrigen ist die Klausel auch schwer zu kontrollieren, so daß sich die Vereinbarung eines dinglichen Rückkaufrechtes oder eine Sicherungshypothek empfiehlt.
Copyright © 2006 Dr. jur. Arnold v. Bosse, Heilgeistkloster 15, 18439 Stralsund
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